Zur Kommunalstudie Brandenburg: Es fehlt die geschlechtersensible Perspektive

Am 4. April wurde die “Kommunalstudie Brandenburg” durch das Ministerium des Innern und für Kommunales vorgestellt: jede dritte befragte Person mit einem kommunalpolitischen Amt oder Mandat wurde bereits mindestens einmal Opfer eines Angriffs in Form einer Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung oder körperlicher Gewalt. Erschreckend dabei ist, dass laut der Studie fast 44 Prozent der Angriffe aus dem kommunalpolitischen Raum selbst stammen. Die daraus resultierenden emotionalen und psychischen Folgen halten bei den Betroffenen häufig lange nach und fallen umso stärker aus, wenn die Täter:innen aus dem eigenen, bekannten politischen Umfeld kommen.  

Die Studie bestätigt die bereits mehrfach in der Forschung belegte Erkenntnis, dass kommunalpolitisch aktive Frauen vor allem Diskriminierungen aufgrund ihres Geschlechts erfahren: Es handelt sich dabei um sexualisierte Anfeindungen, Beleidigungen, Drohungen und Gewaltphantasien. Jedoch greift die analytische Auseinandersetzung mit sexualisierten Gewalterfahrungen, von denen ausschließlich Frauen betroffen sind, zu kurz, wenn sie auf die individuelle Opferperspektive beschränkt bleibt.  Es fehlt ein geschlechtersensibler Blick – denn Frauen und Menschen diverser Geschlechtsidentitäten sind anderen Diskriminierungsformen und Gewalterfahrungen ausgesetzt als Männer. 

Der gesamtgesellschaftlich etablierte Sexismus richtet sich in der (Kommunal-)Politik in konzentrierter Form gegen Amts- und Mandatsträgerinnen, die politisch aktive Männer in vergleichbarer Form nicht erfahren. Dabei wird sexualisierte Gewalt immer noch gern in den Halbschatten des Privaten verdrängt. Es handelt sich jedoch nicht um eine Privatsache, sondern um ein strukturelles Problem und als solches muss es auch verstanden werden. Es braucht mehr als “eine kurze Printpublikation” mit dem Titel “Dumme Sprüche – Kluge Frauen” oder Seminare und Veranstaltungen für Frauen, damit diese lernen, angemessen auf Anfeindungen zu reagieren.   

Es braucht strukturelle Analysen und Antworten! 

Es braucht Anti-Sexismus-Trainings für Verwaltungsangestellte auf allen Ebenen sowie für Amts- und Mandatsträger. Es braucht ein Bewusstsein für das Thema in den kommunalen Spitzenverbänden und den Parteien, die Mandatsträger:innen ausbilden und in die kommunalen Gremien und Verwaltungen entsenden. Es braucht Selbstverpflichtungen bzw. Leitlinien der Parteien und Wählervereinigungen im Umgang mit Sexismus sowie gezielte Täterarbeit. Und vor allem braucht es Solidarität sowie mutige Frauen und Männer, die sexualisierte Gewalt klar benennen und entschieden verurteilen.  

Nicht die Frauen müssen sich ändern. Es sind die äußeren Rahmenbedingungen, Strukturen und politischen Kulturen, welche es allen Menschen ermöglichen müssen, ohne Gewalterfahrungen kooperativ, wertschätzend und solidarisch miteinander Politik zu machen.  

Von einer diskriminierungs- und sexismussensiblen Kultur im politischen Alltagsgeschäft profitieren alle politisch aktiven Menschen! 

von Christiane Bonk und Anna Emmendörffer 

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