Das Neutralitätsgebot: Was ist das eigentlich? Mittlerweile kommt den meisten Menschen wohl mindestens ein Beispiel in den Kopf.
Da ist zum Beispiel die kleine Anfrage der CDU/CSU Fraktion zur politischen Neutralität öffentlich geförderter Zivilgesellschaft vom Anfang des Jahres. Julia Klöckners Einsatz gegen Regenbogenflaggen auf und im Bundestag. Die regelmäßige Argumentation der AfD, sie müsse zu politischen Diskussionen, Stadtfesten oder anderen Veranstaltungen eingeladen werden, nur weil andere Parteien eingeladen wurden.
All das verunsichert, dabei ist die Lage eigentlich ziemlich klar. Beim Zoommittag zum Thema erklärte uns Maica Vierkant, Geschäftsführerin des Aktionsbündnis Brandenburg, was es denn nun mit dem Neutralitätsgebot auf sich hat:
Das Neutralitätsgebot ist eine Rechtsfigur, die aus dem Grundgesetz abgeleitet wird. Gemeint ist damit die Verpflichtung staatlicher Akteure zu „parteipolitischer Neutralität“, das bedeutet vor allem, dass sie nicht in den Parteienwettbewerb eingreifen dürfen – so darf beispielsweise nicht zur Wahl oder Nichtwahl einer bestimmten Partei aufgerufen werden.
Das Neutralitätsgebot bedeutet aber nicht Wertefreiheit: staatliche Akteure sind immer noch dem demokratisch-freiheitlichen Grundgesetz verpflichtet und können sich dementsprechend positionieren. Auch auf der Landesebene in Brandenburg gibt es festgeschriebene Werte, an die staatliche Akteure gebunden sind:
Artikel 7a VerfBBg (Schutz des friedlichen Zusammenlebens): Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.
Und was ist nun mit der Zivilgesellschaft?
Die Zivilgesellschaft ist kein staatlicher Akteur – auch nicht, wenn sie öffentlich finanziert wird. An das Neutralitätsgebot ist sie also nicht gebunden: „Nicht-staatliche Akteure wie Vereine, Verbände oder Einzelpersonen dürfen sich grundsätzlich frei äußern. Sie haben das Grundrecht, sich in die politische Debatte einzubringen. Sie müssen dabei nicht ausgewogen sein und dürfen sachlich fundierte Kritik auch überspitzt formulieren.“ (Aktionsbündnis Brandenburg). Bei staatlich geförderten Akteuren gilt jedoch, dass sie während Wahlkämpfen nicht in die Chancengleichheit der Parteien eingreifen dürfen (ebd.).
Nach der fachlichen Einordnung geht Maica Vierkant auch auf die Arbeit und Erfahrungen des Aktionsbündnis Brandenburg ein. Seit etwa 2018 beschäftigt sich ihr Team mit dem Thema. Auffällig und besorgniserregend ist, dass es seit ein paar Jahren zu einer Normalisierung von Rechtsextremismus kommt: oft sind es nun demokratische Kräfte, die sich für ihre freiheitlichen und weltoffenen Ansichten rechtfertigen müssen, obgleich diese auf dem Grundgesetz beruhen.
Im Gespräch über das Neutralitätsgebot melden sich auch kommunale Gleichstellungsbeauftragte und Kommunalpolitiker*innen zu Wort.
In der Prignitz versuchte die AfD, nach der Teilnahme der Gleichstellungsbeauftragten am CSD personelle Konsequenzen einzufordern, da angeblich das Neutralitätsgebot verletzt worden sei. Der Landrat blockte dies jedoch ab und verwies auf die Kommunalverfassung.
In vielen Kommunen stellt sich die Frage, wie mit der AfD umzugehen ist – sei es bei der Vermietung von Räumen oder bei der Einladung zu Veranstaltungen. Einige Kommunalverwaltungen haben beschlossen, ihre Räume grundsätzlich nicht mehr an Parteien zu vermieten, um zu vermeiden, auch an rechte oder rechtsextreme Parteien vermieten zu müssen. Dieser Ansatz löst zwar vorerst dieses Problem, führt jedoch gleichzeitig dazu, dass auch demokratische Parteien wichtige Räume für ihre Arbeit verlieren.
Bei Veranstaltungen wiederum kommt es stark auf den thematischen Bezug an. Geht es beispielsweise um Migration, Vielfalt oder queere Rechte, lässt sich gut begründen, warum rechte Parteien nicht eingeladen werden, da ihre Positionen diesen Zielen fundamental widersprechen.
Wir bedanken uns für einen lehrreichen und interessanten Austausch mit Maica Vierkant und allen Teilnehmenden. Weitere Termine für den Zoommittag werden auf dieser Webseite und unseren Sozialen Medien geteilt.
Bei Fragen, Anmerkungen oder Themenvorschlägen stehen wir gerne zur Verfügung: paritaet@frauenpolitischer-rat.de
Weitere Informationen zu Neutralitätsgebot gibt es hier:
Aktionsbündnis Brandenburg: Neutralitätsgebot – wer muss neutral sein?
Amadeu-Antonio-Stiftung 2025: Neutralitätsgebot: „Politische Neutralität” als Kampfbegriff